Die aktuelle Lage im Sudan
Die Situation in Darfur im Westen des Landes wird für die Menschen immer katastrophaler. Nachdem die RSF-Milizen (s. unten) die Stadt El Fasher nach eineinhalbjähriger Belagerung im Oktober eingenommen haben, richten sie unter der Zivilbevölkerung ein Blutbad an. Sie haben die Stadt hermetisch abgeriegelt; Blutlachen und Massengräber sind sogar aus dem All zu sehen. Mehr als eine Viertelmillion Menschen in El Fasher sind den Milizen schutzlos ausgeliefert, ohne Nahrung, ohne medizinische Versorgung. Hilfsorganisationen erhalten keinen Zutritt. Das Schulterzucken der Weltöffentlichkeit ist unerträglich, es erinnert an die Reaktionen auf die Völkermorde in Srebrenica oder Ruanda. Alles, was der UN-Menschenrechtsrat bisher geschafft hat, ist eine Resolution zu verabschieden, die das Geschehen verurteilt.
Die Menschen im Sudan werden alleingelassen.
Nach Einschätzung der Vereinten Nationen handelt es sich um die größte humanitäre Katastrophe der Welt. 12 Millionen sind auf der Flucht, 26 Millionen hungern oder sind vom Hunger bedroht. Schätzungen zufolge sind dem Bürgerkrieg bisher 150.000 Menschen zum Opfer gefallen.
Der Hintergrund
Der Sudan ist ein Land im Nordosten Afrikas, fünfmal so groß wie Deutschland, knapp 50 Millionen Menschen leben dort. Das Land ist geprägt von Trockenheit, liegt zu großen Teilen in der Sahara oder an deren südlichem Rand, der Sahelzone.
Der Sudan war bis 1956 britische Kolonie, seit der Unabhängigkeit gibt es politische Unruhen im Land. Ein fast 50 Jahre dauernder Bürgerkrieg zwischen dem eher christlich geprägten Süden und dem muslimischen Norden endete 2011 mit der Unabhängigkeit des Südsudan.
Doch auch in anderen Regionen des Landes brachen immer wieder Aufstände aus, der bekannteste und folgenreichste 2003 in Darfur im Westen des Landes. Allein diese Region ist so groß wie Frankreich.
Hintergrund des Konfliktes waren Verteilungskämpfe um Wasser und Weideland zwischen Nomaden und Bauern. Die Regierung unter Omar al Bashir unterstützte die Nomaden, rüstete sie mit Waffen aus. Die Folgen waren dramatisch. Die bewaffneten Reiter der Nomaden, die Dschandschawid, überfielen auf Pferden und Kamelen tausende von Dörfern, brannten sie nieder, töteten die Einwohner, plünderten oder zerstörten die Vorräte. Fast 400 000 Menschen fielen den Angriffen zum Opfer, die Hälfte der sechs Millionen Einwohner von Darfur wurde in die Flucht getrieben. Die meisten suchten Zuflucht in riesigen Lagern innerhalb des Landes. Der Bürgerkrieg dauert auch nach mehr als 20 Jahren an. Die Flüchtlingslager haben sich inzwischen zu Gettos entwickelt, denn es gibt für die Menschen kaum eine Perspektive für eine Rückkehr in ihre Dörfer.
2019 wurde der Langzeitdiktator Omar al Bashir nach Massenprotesten der sudanesischen Bevölkerung vom Militär abgesetzt, zivile Gruppen und die Armee bildeten eine Übergangsregierung. Doch im Oktober 2021 putschte das Militär unter General Abdel Fatah Burhan erneut und machte ihn zum De-Facto-Regierungschef. Nach Massendemonstrationen und auf internationalen Druck hin wurde im Dezember 2022 erneut eine Übergangsregierung zwischen Militär und Zivilpolitikern gebildet, mit dem Ziel 2024 freie Wahlen abzuhalten.
Im April 2023 allerdings kam es zum Machtkampf zwischen Burhan und seinem mächtigen Stellvertreter Mohammed Hamadan Daglo, genannt Hemeti, dem ehemaligen Anführer der Dschandschawid.
Er ist inzwischen Chef der sogenannten RSF, einer hunderttausend Mann starken Miliz und bekriegt sich mit der zahlenmäßig etwa gleich starken Armee. Ausgetragen wird der Machtkampf auf dem Rücken der Bevölkerung.
Saraf Oumra, die Kleinstadt im Westen des Landes und das Dorf Karakoulle, das ihr angegliedert ist, sind vergleichsweise wenig betroffen von den Kämpfen. Die Situation ist trotzdem schwierig, der Kontakt zur Außenwelt nur schwer möglich, Telefon- und Internetverbindungen sind immer wieder unterbrochen oder werden abgeschaltet. Und jetzt regiert die Angst, dass die RSF- Milizen sich nach der Eroberung von El Fasher neue Ziele suchen. Wenigstens können die Kinder weiter zur Schule gehen, 100 Mädchen und Jungen bekommen Unterricht. Wir haben es sogar geschafft, für die weiterführende Schule in Saraf Oumra den Bau von zwei Klassenzimmern zu finanzieren. Unsere Unterstützung brauchen die Kinder dringender denn je. Was wir noch tun können, um zu helfen, ist Geld überweisen, damit Lehrer bezahlt werden können, damit die Kinder Bücher, Hefte und Stifte kaufen können. Für ein wenig Normalität sorgen im Horror des Krieges. Immerhin.



Foto: Boris Schmalenberger
Foto: Boris Schmalenberger